Mehr Solidarität für Gesellschaft & soziale Industriepolitik

Von Rolf Schmid, 27. September 2018

 

 

Mit der Ankündigung am Produktionsstandort in Stein über 700 Stellen zu streichen reiht sich die Novartis gesamtschweizerisch in die Reihe vieler Grosskonzerne ein, die ohne grosses Verantwortungsbewusstsein zahlreiche Menschen auf die Strasse stellen und dabei nur die eigenen Interessen im Blick haben. Zur Begründung werden Effizienzsteigerung und Überkapazitäten genannt. Betriebsökonomisch handelt es sich dabei jedoch nicht um eine in Krisenzeiten unumgängliche Reaktion, sondern um Schritte zur Sicherung satter Gewinne und der weiteren Verbesserung der Kapitalrenditen. Sie gründen auf den Prioritäten eines Unternehmens, das sich an seiner Rentabilität, nicht aber an den Arbeitnehmenden orientiert. Handlungen ohne jegliches Verantwortungsgefühl für das Schicksal vieler Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region.

 

Für die SP der Bezirke Laufenburg und Rheinfelden wirft dieses Verhalten und insbesondere die Kommunikation gewichtige Fragen für das Fricktal, aber auch die ganze Schweiz auf:

 

Wie sieht denn eine Gesellschaft aus, in der niederschwellige Arbeitsplätze durch Auslagerung in Billiglohnländer oder die Digitalisierung immer weiter verschwinden?

 

Mit den Entlassungen in den Produktionsbereichen verlieren im Fricktal auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die viele Jahre am Tag und in der Nacht für das Wohl der Novartis im Einsatz gestanden haben, ihre Anstellung. Viele von ihnen sind nicht mehr jung und agil, verfügen oftmals nur über geringe Berufsbildung. Die angekündigten Umschulungsmassnahmen oder Job-Center sind für Menschen fortgeschrittenen Alters oder ohne Abschluss ein Hohn, wenn die Wirtschaft für sie keine Stellen mehr bereitstellt. Es besteht die Gefahr, dass unsere Sozialwerke und die darin einzahlende Gesellschaft nicht gewillt ist, diesen Menschen ausreichend Schutz zu bieten.

 

Sind denn die multinationlen Konzerne und ihre Kapitaleigner gewillt, weiterhin ihre immer grösseren Gewinne mit komplexen Steuerkonstrukten in die Schweiz zu verschieben, wenn wir zur finanziellen Sicherung des Sozialstaates die Steuern erhöhen müssen?

 

«Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es allen Menschen in ihrer Umgebung auch gut.» Mit dieser neoliberalen Überzeugung werden seit Jahren die grösstmöglicher Freiheiten für Grossunternehmungen und ihre Kapitalgeber legitimiert. Über viele Jahre schien sich diese Ansicht zwar zu bewahrheiten, doch mit den jüngsten Meldung über verantwortungslose Massenentlassungen oder die drohenden Jobverluste durch die Digitalisierung deren Validität dringend hinterfragt werden.

 

Welche Reaktion von lokaler und nationaler Politik sowie der Gesellschaft braucht es jetzt?

 

Es braucht nun eine Solidarisierung mit den Stellenlosen und ihren Familien, mit den Gemeinden und Regionen, die durch solche Massnahmen massiv geschwächt werden. Jahrzehntelang gab es mit den Gewerkschaften gewichtige Institutionen, die sich gemeinsam mit der Bevölkerung entschieden für das Wohl der Arbeitnehmenden eingesetzt haben. Mit der Entpolitisierung und Individualisierung der Gesellschaft sind diese Bollwerke massiv geschwächt worden. Diese Entwicklung erlaubt es besonders den multinationalen Konzernen sich immer mehr ihrer sozialen Verantwortung zu entziehen und nur noch im Eigeninteresse zu handeln, ohne dass das Schicksal der Arbeitslosen ausserhalb des eigenen Umfeldes noch grosse Empörung weckt. Die politischen Instanzen als Garant für soziale Wohlfahrt und ein würdiges Leben der Menschen stehen daher entgegen vieler Stimmen in der Pflicht zu handeln. Auch wenn der Handlungsspielraum gering erscheinen mag, zu kapitulieren und weiterhin blindlings auf den Goodwill der Unternehmungen zu vertrauen, ist keine Option mehr.