Was braucht es nach dem Applaus?

Von Rolf Schmid, 4. Mai 2020

Vor gut drei Jahren startete ich meine Ausbildung als Fachmann Gesundheit im Altersheim. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit als überall in den Zeitungen stand wie viele junge angehende Erwachsene sich für den Pflegeberuf entschieden haben und es in den nächsten tun werden. Bis heute ist er bei Schulabgänger/-innen relativ beliebt. Dennoch liest man oft von Fachkräftemangel und warnt davor, dass die Spitäler die Last nicht mehr tragen können. Erst recht in einer Krise.

SVP-Mann Thomas Matter sprach in der Arena vom 27. März darüber, dass das Grundproblem für den Personalmangel bei der strengen Ausbildung liege. Er warf die Frage in die Runde, weshalb es keine explizite Lehre für Krankenpfleger gäbe. Was Herr Matter nicht zu wissen scheint: Seit einigen Jahren bietet das Rote Kreuz mit dem Pflegehelferkurs einen kurzen und niederschwelligen Lehrgang an, welcher den Quereinstieg und später ausgezeichnete Weiterbildungen ermöglicht.

Die Aussage zeugt davon wie wenig gewisse Politiker/-innen über die Situation im Gesundheits- und Pflegebereich informiert sind. Insbesondere über die Anforderungen unseres Berufes scheint er sich als Banker nicht im Klaren zu sein. Der menschliche Körper ist komplex und das Wissen über seinen Aufbau und Funktionen von zentraler Bedeutung. Der Anspruch an die eigene Psyche und der kontrollierte Umgang mit den eigenen Emotionen sind weitere Herausforderungen. Wir kommen im Alltag unserer Patienten unheimlich nahe. In der Ausbildung müssen wir uns darum anspruchsvollen, aber zugleich hochspannenden Lehrstoff aneignen. Nur so kann auch ein Thomas Matter am Schluss zufrieden sein mit der Pflege, wenn er aus seinem privatversicherten Einzelzimmer hinausmarschiert.

Für mich sind die Aussagen und der lachhafte Applaus von Matter und anderen Bürgerlichen darum verletzend, weil ich weiss wie viele Pflegende jeden Tag immer wieder an ihre Grenzen gehen und auch sehr oft über diese hinauswachsen müssen. Hier liegt denn auch das Grundproblem, weshalb Menschen sich qualifizieren und danach die Hälfte den Beruf wieder verlässt. Es ist körperlich und psychisch nicht mehr tragbar, vor allem weil die Rufe nach besseren Arbeitsbedingungen von diesem Teil der Politik weiterhin ungehört bleiben.
In dieser schwierigen Zeit, schliesslich auch dem Schlussspurt meiner Ausbildung, zähle ich darum auf die vielen klatschenden Menschen in diesem Land. Darauf, dass sie wissen, dass der Applaus und das Lob uns keine bessere Bezahlung schenkt, nicht mehr Ruhezeiten gewährt und uns nicht mehr Raum für die angemessene Pflege eines Patienten einräumt. Seit einiger Zeit organisiere ich mich mit anderen Menschen aus der Pflege und bin dankbar um Verbände, Gewerkschaften und Parteien, die sich auch ohne Coronakrise für unsere Anliegen oder die Pflegeinitiative starkmachen. Menschen, die uns zuhören und sich gemeinsam mit uns um mehr greifbare Anerkennung bemühen.

Wir zählen aber auch auf Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wenn sie selber auf die Pflege von uns angewiesen sind, Verwandte oder Bekannte haben, die kurzzeitig oder langfristig in einem Spital, einer Klinik oder einem Heim sind.

 

Fabio Haller, Fachmann Gesundheit in Ausbildung, Wölflinswil